Manifesto. Ein Film des Film- und Videokünstlers Julian Rosefeldt mit der zweifachen Oscar®-Gewinnerin Cate Blanchett. Ab 25. Mai 2018 auf DVD - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Kunst + Kultur



AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 21.11.2017


Manifesto. Ein Film des Film- und Videokünstlers Julian Rosefeldt mit der zweifachen Oscar®-Gewinnerin Cate Blanchett. Ab 25. Mai 2018 auf DVD
Tina Schreck

Die australische Schauspielerin und zweifache Oscar-Gewinnerin ("Aviator", "Blue Jasmine") ist in diesem außergewöhnlichen Werk in zwölf großartigen Episoden zu sehen, die allesamt diverse, zeitlose Manifeste verschiedener Kunstströmungen des vergangenen Jahrhunderts behandeln. Vom Obdachlosen bis zur Brokerin, von der Pop-Art bis hin zu Dogma 95 überzeugt Cate Blanchett mit chamäleonhaft schauspielerischem Können.




"All that is solid melts into air"

Mit diesem frei übersetzten, einleitenden Satz aus Karl Marx und Friedrich Engels kommunistischem Manifest ("Alles Ständische und Stehende verdampft") beginnt auch der Film unter der Regie des renommierten Film- und Videokünstlers Julian Rosefeldt, in dem die fabelhafte Cate Blanchett mit enormer Wandlungsfähigkeit beeindruckt.

"Ein Künstlermanifest ist ein Text voller Lebensfreude, Energie und absoluter Überzeugung, der auf seiner juvenilen, jugendlichen, enthusiastischen Grundhaltung geschrieben ist und die Welt verändern will", definiert der Regisseur den Begriff gegenüber dem Bayrischen Rundfunk, welcher als Kooperationspartner des Films fungierte und somit auch die deutsche Fernsehpremiere ausstrahlen wird.

Die dreizehn poetischen Monologe und deren performative Energie werden von nur einer einzigen Protagonistin (Cate Blanchett) auf beeindruckende Weise zum Ausdruck gebracht. Die jeweiligen Zuhörer_innen fungieren hierbei als stille, unbewegte Statist_innen, die den mantraartigen Proklamationen der Vortragenden folgen. Das daraus resultierende Gedankenspiel spiegelt verschiedene Etappen der Kunstgeschichte wieder und setzt sich mit der Frage auseinander, welche Rolle Kunst in der heutigen Zeit spielt.

MANIFESTO greift dabei auf die Texte von Futurist_innen, Dadaist_innen, Fluxus-Künstler_innen, Suprematist_innen, Situationist_innen und anderer Künstler_innengruppen zurück, ebenso wie auf die Überlegungen einzelner Künstler_innen, Architekt_innen, Tänzer_innen und Filmemacher_innen. Rosefeldt hat diese Manifeste bearbeitet, in zwölf brillanten Collagen neu zusammengefügt und so die Ideen von Claes Oldenburg, Yvonne Rainer, Kazimir Malevich, André Breton, Sturtevant, Sol LeWitt, Jim Jarmusch und vielen mehr miteinander verwoben.

13 Figuren, 12 Drehtage

Brokerin, Mutter, Managerin, Grabrednerin, Punkerin, Choreographin, Lehrerin, Fabrikarbeiterin, Nachrichtensprecherin, Reporterin, Puppenspielerin, Wissenschaftlerin und Obdachloser - Auf phänomenale Weise switcht die Hauptdarstellerin zwischen den Charakteren, deren verschiedenen Akzenten sowie unterschiedlichen Milieus und Persönlichkeiten hin und her. Ein unglaublicher Kraftakt, nicht nur für die Schauspielerin selbst, die in kürzester Zeit eine enorme Flut an Texten lernen musste, sondern für das gesamte Team, das gezwungen war, unter enormen Zeitdruck zu arbeiten. "Manchmal mussten wir aus logistischen Überlegungen zwei Figuren an einem Tag zur Hälfte drehen", erklärt Julian Rosefeldt gegenüber dem BR und unterstreicht das atemberaubende Spiel seiner Protagonistin: "Der Film ist auch eine Hommage an sie oder ihr schauspielerisches Können und nicht nur an die Idee des künstlerischen Manifestes."

Facettenreiches Spiel

Cate Blanchett schlüpft furchtlos in jede Rolle, mal ist sie bärtiger, betrunkener Obdachloser, der seinen Einkaufswagen durch ein postindustrielles Ödland zieht und in einwandfreiem schottischem Akzent proklamiert: "We glorify the revolution aloud as the only engine of life. We glorify the vibrations of the inventors young and strong. They carry the flaming torch of the revolution!".

Dann als konservative Mutter, die ihrer Familie in biederer Schluppenbluse Claes Oldenburgs Pop-Art–Manifest vorbetet und somit einen herrlich-komischen Kontrast zu dem darstellt, für das die Popkultur eigentlich stand. "I am for art that comes out of a chimney like black hair and scatters in the sky,", murmelt sie, während ihre Kinder hungrig auf den Thanks-Giving-Truthahn spähen.

Ein anderes Mal als toughe Börsenmaklerin, die ein futuristisches Manifest aus dem Jahre 1909 vorträgt und sich entschlossen gegen die verstaubte Vergangenheit, hin zu einer glorreichen Zukunft wendet, wenn sie feierlich verkündet: "Shit on Montaigne, Wagner, Beethoven and Baudelaire. Look at us. We are not exhausted yet. Our hearts feel no weariness, for they feed on fire, on hatred, and on speed."

Statements der Kunstgeschichte

Zu sehen sind insgesamt 60 Manifeste, die zum Teil neu collagiert, editiert oder gekürzt wurden und die allesamt die verschiedenen Kunstströmungen des 20. Jahrhunderts behandeln. So greift Julian Rosefeldt unter anderem auf Texte der technik- und kriegshungrigen Futurist_innen, den nihilistischen Dadaist_innen oder den revolutionären Surrealist_innen sowie einzelner Künstler_innen, Architekt_innen oder Tänzer_innen zurück und fügt sie in zwölf brillanten Episoden neu zusammen. Diese neu entstandenen Manifesttexte verbindet der Videokünstler mit seinem Interesse an den Arbeits- und Lebenswelten der Gegenwart und führt sie mit Situationen der heutigen Zeit zusammen. Die Ursprungsidee des Projekts, die für Julian Rosefeldt nach wie vor Vorrang hat, war die der gleichnamigen Videoinstallation, die unter anderem im Australian Centre for the Moving Image, der Park Avenue Armory in New York sowie vom 10. Februar bis 18. September 2016 im Hamburger Bahnhof - Museum für Gegenwart – Berlin jeweils auf zwölf Screens simultan gezeigt wurde. Daraus wurde dann eine etwas kürzere Singlescreen-Variante zusammengeschnitten, aus der die jetzige Kinofassung resultiert, die am 26. Januar 2017 auf dem Sundance Film Festival ihre Premiere feierte.

Schlussbild

Am Ende werden alle Episoden zeitgleich eingeblendet und aus den klaren Monologen entsteht ein chaotisches Stimmgewirr, das nach und nach in harmonischen Chorgesang übergeht. Eine schöne Schlussszene, die den Film wieder zur ursprünglichen Museumsinstallation werden lässt, wo alle Manifeste zusammenfließen und zu einem großen Ganzen werden.



AVIVA-Tipp: "Manifesto" ist ein Film voller Kraft und Leidenschaft, der auf intelligente Weise die jeweiligen Überzeugungen verschiedener Kunstströmungen beschreibt. Ein anspruchsvolles Werk, das Ästhetik, Poesie und Rebellion zu einer geistreichen Symphonie durch eine starke Protagonistin, Cate Blanchett, zusammenfügt.

Manifesto
Deutschland/Australien 2017
Regie und Drehbuch: Julian Rosefeldt
Darsteller*innen: Cate Blanchett
Make-up: Morag Ross
Kostüm: Bina Daigeler
Verleih: DCM Film Distribution GmbH
Lauflänge: 95 Minuten
Kinostart: 23.11.2017
Ab 25. Mai 2018 auf DVD. Im Verleih von DCM
Technische Daten:
Lauflänge Hauptfilm: 95min
Bildformat: 1,85:1 (16:9 anamorph)
FSK: Freigegeben ab 0 Jahren
Tonformat: Dolby Digital 5.1
Sprachen: Englisch / Untertitel: Deutsch

Filmwebsite und Trailer: dcmworld.com
Facebook: www.facebook.com

LEGENDE:
SITUATIONISMUS: Obdachlose
FUTURISMUS: Börsenmaklerin
ARCHITEKTUR: Arbeiterin in einer Müllverbrennungsanlage
VORTIZISMUS / BLAUER REITER / ABSTRAKTER EXPRESSIONISMUS: Geschäftsführerin bei einem privaten Empfang
ESTRIDENTISMUS / KREATIONISMUS: Tätowierte Punkerin
SUPREMATISMUS / KONSTRUCTIVISMUS: Wissenschaftlerin
DADAISMUS: Trauerrednerin
SURREALISMUS / SPATIALISMUS: Puppenspielerin
POP ART: Konservative Mutter mit Familie
FLUXUS / MERZ / PERFORMANCE: Choreographin
KONZEPTKUNST / MINIMALISMUS: Nachrichtensprecherin und Reporterin
FILM / EPILOG: Lehrerin

Zur Hauptdarstellerin: Cate Blanchett wurde am 14. Mai 1969 in Melbourne, Australien geboren. Bereits 1997 in ihrer Heimat avancierte sie zur mehrfach ausgezeichneten Theatermimin. Mit Bruce Beresfords "Paradise Road" (1997) gab die Schauspielerin schließlich ihr Filmdebüt. Ihren Durchbruch feierte sie nur wenige Monate später als leidenschaftliche und charismatische Spielerin in Gillian Armstrongs "Oscar und Lucinda"(1997). Seitdem erhielt sie für ihre Filme "Elizabeth" (1998) sowie "Tagebuch eines Skandals" (2007) jeweils eine Oscar- als auch eine Golden Globe- Nominierung. Für ihre Darstellung in "Die Journalistin" (2003) wurde sie ebenfalls für den Golden Globe nominiert und für ihre herausragende Bob Dylan-Interpretation in "I´m Not There" (2008) mit dem Coppa Volpi, dem Darsteller_innenpreis der 64. Filmfestspiele von Venedig, ausgezeichnet. Einen Oscar erhielt sie schließlich für ihre jeweiligen Glanzleistungen in "Aviator" (2004) sowie "Blue Jasmine" (2013). Insgesamt wurde die Schauspielerin mit über 70 internationalen Film- und Festivalpreisen geehrt.
Weitere Infos zu Cate Blanchett unter: www.imdb.com


Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:

Die Journalistin - Ein Film mit Cate Blanchett
Die Biographie der irischen Journalistin Verónica Guerin wird informativ und spannend nacherzählt. 1996 wurde die Antidrogen-Kämpferin ermordet. (2004)


Copyright Fotos/Grafik: DCM


Kunst + Kultur

Beitrag vom 21.11.2017

Tina Schreck